Der Kunst ihren Stammtisch

Aus dem Alltag

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Der Windstoß scheint aus dem Nichts zu kommen. Wirbelt Staub auf vor meinen Füßen, fegt Zigarettenstummel und ein Papiertaschentuch über den Boden. Ein Mädchen, acht, neun Jahre alt vielleicht, stürzt dem Taschentuch hinterher, bekommt es schließlich zu fassen und blickt verschämt um sich. ‚Halten wir den Yppenplatz sauber‘, mahnt ein großformatiges Plakat an der Mauer neben uns ein.
An ihr soll es nicht scheitern.

Ich quere den Platz, gehe vorbei am großartigen An-Do und den gewaltigen Koloniakübeln ein paar Dutzend Schritte weiter. Sehe schon die Auslage der ‚kleinen Fahrradwerkstatt‘, die mich gewiss zu ihrer Kundschaft zählen könnte, hätte ich bloß ein Rad. Biege links um die Ecke, trete durch die offene Tür und werfe einen ersten Blick auf die vielversprechende Schiefertafel an der Wand hinter der Theke. Das ‚mani‘ lockt mit orientalischer Küche und augenblicklich ringe ich mit mir, ob ich das geschmorte Rindfleisch mit gerösteten Mandeln oder doch das gegrillte Huhn mit hausgemachtem Marillenchutney wählen soll.
Unentschlossen nehme ich erst einmal Platz.

Es ist noch Zeit. Noch eine knappe Stunde. Ich werde sie zu füllen wissen, entscheide mich kurzerhand für das gegrillte Huhn und gebe ihm ein großes Starobrno zum Geleit. Auf der anderen Straßenseite liegt die ‚Völlerei‘, wo an der Wand noch in fröhlich altmodischem Schriftzug ‚Café Berger‘ steht und sie Frastanzer Bier vom Fass kredenzen. Ein Mann betritt das Lokal, den jung zu nennen bloß Menschen zusteht, die acht Jahrzehnte Minimum an Lebenserfahrung vorzuweisen haben. Festen Schrittes steuert er einen Tisch nahe der Theke an, setzt sich, zieht forsch ein leeres Blatt Papier aus seiner Jackentasche. Und beginnt zu zeichnen. Denke ich mir: wird er wohl zum Künstlerstammtisch kommen.
Sind wir schon zu zweit.

Und das war Irrtum Nummer eins. Denn noch bevor mein Huhn samt Chutney, Pita und Salat vor meinen hungrigen Augen landet, ist er schon wieder weg.
Noch fünfunddreißig Minuten.

Ursula und Franz Pfeiffer haben ihn ins Leben gerufen, diesen monatlichen Stammtisch. Einen Treffpunkt für Künstler und Kunstinteressierte, wo kommen kann, wer kommen mag, er bringe nur bitteschön einen wachen Verstand und einen offenen Geist mit. Die Musen vertragen keine Enge.
Der Tisch neben mir ist bereits gut gefüllt, als ich mein Besteck beiseitelege, Huhn und Chutney sind nicht mehr. ‚Kommen Sie auch zu uns?‘, spricht mich Franz Pfeiffer an, der grade mal eine Armeslänge von mir entfernt sitzt. Und schon bin ich Teil der Runde.

Wie von Monet gemalt wirken die Bilder von Heidrun Karlic, nur steht da nicht die Kathedrale von Rouen, sondern die Pfarrkirche Penzing. Die Gloriette ist im Dunst kaum auszumachen und doch unverkennbar, die prächtigen Gebäude des Hanusch-Krankenhauses laden nachgerade ein zu einem spontanen Spitalsbesuch. Wer sich persönlich davon überzeugen will: die Ausstellung im Bezirksmuseum Penzing mit Karlic‘ Bildern läuft noch bis 26. Juni. Ich ordere ein Glas Blaufränkisch, komme ins Gespräch mit Silvia Witzmann. Sie, die für gewöhnlich das große Format bevorzugt, malt expressiv, mit starken Farben. Und übt sich neuerdings auch in der Kunst der Schmuckgestaltung, schafft Medaillons voll stiller Schönheit. Jedes Stück ein Unikat. Es dauert keine fünf Minuten, hat eines davon schon den Besitzer gewechselt. Drei weitere werden folgen.

Am anderen Ende der Tafel Silvia Ehrenreich, die wunderbare Alleskönnerin. Ob Malkunst, Lyrik oder Fotografie, es ist ihr kein Genre fremd. Es ist ihr keines zu schwer. Gern hätte ich mich ausführlicher unterhalten mit ihr, doch sitzen wir zu weit voneinander entfernt. Wir werden es nachholen. Ein andermal.

So viele werden ja nicht kommen, dass wir da nicht alle Platz hätten, hab ich mir anfangs gedacht. Und das war Irrtum Nummer zwei.

Interesse geweckt?
Silvia Ehrenreich
Heidrun Karlic
Silvia Witzmann
Verein Kunst-Projekte der GalerieStudio38

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