Mauthausen

Aus dem Alltag

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Die Schreie der Gefangenen seien schwer zu ertragen, schrieb sie. Ihr Haus, es lag so nah am Zaun, da gingen sie manchmal durch Mark und Bein. Verfolgten sie noch im Schlaf, schrieb sie. Und dann waren da noch die Schüsse.

Der Brief an den Lagerleiter, er kostete gewiss kein kleines Maß an Überwindung, man schrieb nicht unbedacht an die SS. Aber diese Schreie, sie waren nicht mehr auszuhalten. Der Lagerleiter, schrieb sie, müsse doch Einsehen haben und ein wenig Mitgefühl.
Ob er die Gefangenen nicht vom Zaun fernhalten konnte?

Das Lager. Ein Ort auf einer Anhöhe, doch keiner kam der Aussicht wegen. Die alte Marktgemeinde zu Füßen, Stacheldraht vor dem Himmel. Das Lager: kein Geheimnis, nicht versteckt, nicht totgeschwiegen. Das Elend vor aller Augen. Niemand konnte sagen: man habe nicht gesehen. Nicht gehört. Nicht gewusst. Die Hände wurden in völkischer Reinheit gewaschen oder in gefälliger Unschuld.
Schuld, die trugen nur die anderen.

Was verstehen die Nachgeborenen, wenn sie vor den Baracken stehen? Was können sie verstehen? Was sehen sie zwischen den Gräbern, den Denkmälern, den Bildern, die man kaum anschauen mag und bei denen einem das Wegschauen doch misslingen muss? Wer ahnt schon das Maß an Verzweiflung, das sich hier eingenistet und diesem Ort ein Kainsmal aufgezwungen hat?
Wer weiß mit Bestimmtheit, auf welcher Seite des Zauns er gestanden hätte?

Überlegen, ob man die nächste Baracke auch noch betritt. Sich das Elend antun möchte. Sich dann doch zwingen, weil es kein Ausweg mehr ist: das Wegschauen. Die Texte lesen, die von Angst künden und von Ekel, von Scham und Überlebenswillen. Die einundachtzigtausend Namen auf sich wirken lassen und nicht wissen, was man jetzt fühlt. Den einen Raum betreten, den, der die Namen geraubt hat und das Leben.
Seine Sinne öffnen und nicht verschließen.

Hinausgehen, ans Licht. Den Stacheldraht hinter sich lassen und die Anhöhe. Die Schreie der Gefangenen ertragen lernen und die Schüsse.
Und keine neuen zulassen.

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