Don Justo

Aus dem Alltag

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Justo Gallego Martínez war ein hartnäckiger Mann. Er ließ sich das Leben nicht nehmen von der Tuberkulose, er war noch keine sechsunddreißig. Er ließ sich den Glauben nicht nehmen von seinem Orden, der nichts mehr wissen wollte von ihm, jetzt, da er ein unnützer Esser geworden war. Wie definiert man Nächstenliebe?, mochte er gedacht haben, als sich das Klostertor hinter ihm schloss.
Und warum will ich leben?

Justo Gallego Martínez war ein außergewöhnlicher Mensch und weil außergewöhnliche Menschen außergewöhnliche Entscheidungen treffen, rümpften die gewöhnlichen bald die Nase. Eine Kathedrale wolle er bauen, sagte er und hörte nicht auf jene, die ihn einen Narren hießen. Für die Ewigkeit wolle er bauen, sagte er, um sich von allem Weltlichen zu befreien. Also trat er auf das Grundstück, das er von seinem Vater geerbt hatte, und tat den ersten Spatenstich.
Das Jahr, das man schrieb, war 1962.

Von Architektur und Statik hatte er keine Ahnung, eine Baugenehmigung kümmerte ihn nicht. Justo Gallego Martínez grub. Ein paar Bücher hatte er gelesen und als er sich an die Grundmauern machte, kamen ein paar mehr dazu. Wo Hilfe nötig war, würde Gott sie senden, dachte er und wunderte sich nicht, als eines Tages ein Baumeister vor ihm stand. Er wunderte sich nicht, als ein Architekt kam aus dem nahen Madrid, der gehört hatte, dass der wunderliche Mönch, der kein Mönch mehr war, eine Kathedrale bauen wollte. Die Wände und Säulen, meinten sie, sollten nicht nur auf dem Glauben basieren.
Sie sollten auch den Gesetzen der Statik folgen.

‚Der Narr‘, sagten die Menschen, ‚baut seine Kirche aus Schrott‘. Justo Gallego Martínez sah das anders. Aus allem, was das Leben ihm schenkte, baute er sie. Man musste dankbar sein für das, was man bekam, aber die Menschen konnten so schlecht umgehen mit der Dankbarkeit und der Demut.

Es waren nicht viele, die ihm halfen. Die Neffen waren da und oft auch einer, der das Große bereits sehen konnte, als es noch ganz klein war. Mitunter ein Fachmann, der bezahlt werden konnte, wenn sich wieder ein Stück Ackerland verkaufen ließ. Alle seine Schritte fühlten sich richtig an, dachte er.
War es nicht das, was zählte?

Die Jahre vergingen, gerannen zu Jahrzehnten. Was mit einer Baugrube begann, wuchs zur Kathedrale heran. Sie steht in keinem Reiseführer.
Immer weniger Menschen nannten ihn ‚Narr‘.

Schönheit erkenne man sofort, dachte Justo Gallego Martínez und blickte auf die Störche, die in den unfertigen Türmen nisteten. Egal, ob sie in einem Bauwerk wohnt oder in einer Seele.

‚Don Justo‘ nennen sie ihn heute und die, die ihn für einen Narren halten, schweigen schon lange.
Er ist jetzt fünfundneunzig.

An der Kathedrale wird freilich immer noch gebaut. Von der katholischen Kirche wurde sie nie anerkannt. Eine Baubewilligung gibt es bis heute nicht.

Suche deinen Nutzen nicht im Weltlichen und auch nicht in der Ewigkeit, sagte Don Justo. Suche ihn in der Liebe.

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