Bernhard

Aus dem Alltag

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An manchen Tagen sind wir ihm ausgewichen. Haben uns in einen Hauseingang geduckt oder die Straßenseite gewechselt und so getan, als hätten wir ihn nicht bemerkt. Reglos ist er dann dagestanden, hat vielleicht noch unseren Namen gerufen oder einfach nur zu uns herübergeschaut. Sah einer dann verstohlen in seine Richtung, konnte er die Enttäuschung kaum ertragen, die in diesem großen Gesicht hing. Nie wieder, schworen wir uns, würden wir die Straßenseite wechseln.
Und taten es doch.

Einen Unfall habe er gehabt, da sei er noch ganz klein gewesen, sagten die Leute. Mehr sagten sie nicht, mehr Wissen schien sie nicht zu kümmern. Seither war er nicht mehr ganz richtig im Kopf, sagten sie und wurden ganz still, wenn Bernhards Mutter den Friseursalon betrat oder den Lebensmittelladen. Bernhards Mutter aber nahm Worte in den Mund, die niemand richtig glauben mochte.
‚Nicht anders als wir‘, sagte sie.

Er war nicht viel älter als ich, aber er hatte den Körper eines Hünen. Und er war kräftig. Die Wucht seiner Umarmung wollte ausgehalten werden, die Nähe geduldet. Seine Zuneigung ertragen. Die Zuneigung ertragen, erkannten wir bald, konnte nicht jeder.
Nicht jeder wollte es.

Er war ständig unterwegs, ziellos scheinbar oder auf Routen, die nur er zu kennen schien. Womöglich war man auf dem Weg zu einem Freund oder hatte irgendeine nichtige Besorgung zu machen, da traf man ihn. Stand plötzlich vor seiner massigen Gestalt, sah das Strahlen in seinem Gesicht und seine mächtigen Arme, die schon nach den Schultern griffen.

Es hatte bestimmt zwei Jahre gedauert, bis mein Name in seinem Gedächtnis ankern konnte, aber als es soweit war, ließ er ihn nicht mehr los. Nie hat er ihn anders gerufen als mit dem Ausdruck reinster Zuneigung.

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