Grenzland

Aus dem Alltag

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Adrian grinst. Er kniet am Boden und zeigt mir die Amsel, die er in der rechten Hand hält. Der eine Flügel muss verletzt sein, denke ich mir, weil er so merkwürdig absteht vom Körper, aber der Vogel macht keinen Mucks. Hockt nur stumm in Adrians Hand. Starrt uns an.
Zittert ein wenig.

Adrian zupft am verletzten Flügel. ‚Lass sie in Ruhe‘, sage ich und schaue, ob ein Erwachsener in der Nähe ist. Erwachsene wissen immer, was man tun soll. Die sei ohnehin hinüber, sagt Adrian. So gut wie tot. Da spiele es keine Rolle, was er mit ihr mache. Er kratzt sich mit der freien Hand am Kopf und spuckt auf den Boden.
Die Amsel starrt uns an. Gibt keinen Laut von sich.

‚Wenn du willst, erschlage ich sie‘, sagt Adrian. ‚Kannst du das denn?‘, flüstere ich. Er gibt keine Antwort. Legt die Amsel aus der Hand. Schaut sich um. Nimmt einen Stein und schlägt dem Vogel den Schädel ein.

‚Besser so?‘, fragt er. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

Später, als wir bei den drei großen Eichen stehen, hinter denen die Mohnfelder beginnen, frage ich ihn. Ob es ihm Spaß mache, ein Tier zu quälen, frage ich. Adrian bleibt stehen. Sieht mich an.
Grinst.

Er greift in seine Hosentasche. Hat ein Messer in der Hand. Klappt es auf. ‚Nein‘, sagt er. Aber ihn interessiere der Schmerz.
Es sei nicht wichtig, ob es der eigene sei oder der eines anderen.

Er schaut sich um. Geht zu einem flachen Stein, der am Wegrand liegt. Kniet nieder, legt seine linke Hand auf den Stein. Spreizt die Finger. Setzt die Klinge an in der Hautfalte zwischen Daumen und Zeigefinger. Sieht zu mir hoch.
Stößt zu.

Er presst die Lippen aufeinander. Schaut mich an, sagt kein Wort. Hinter den Hügeln schlägt die Kirchturmuhr die halbe Stunde.

Adrian zieht das Messer aus seiner Hand. Lässt mich nicht aus den Augen. Blut quillt aus der Wunde. Ein Windstoß fährt durchs Mohnfeld.
Adrian grinst.

‚Und jetzt du‘, sagt er.

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