Abgrund

Aus dem Alltag

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‚Adrian‘, flüstere ich, ‚wo bist du?‘ Mir ist schwindlig und mein Kopf tut weh. In meinem rechten Ohr höre ich ein Rauschen, als würde ich eine Muschel ganz nah dran halten, aber da ist keine Muschel, nur dieses Geräusch. Ich sitze am Boden, der nackter Fels ist, und im Halbdunkel der Höhle sehe ich meine Beine, die überall zerkratzt sind und aufgeschürft. Ich greife mir auf den Hinterkopf, zwinkere und schaue in die Richtung, wo es heller ist. Dort muss der Eingang sein, denke ich mir und zucke zusammen, als ich meine Hand sehe. Sie ist voller Blut.

‚Adrian?‘, frage ich noch einmal und halte dann den Atem an. ‚Sei still, Elsa‘, sagt er und es klingt, als ob er ganz in der Nähe wäre, sehen aber kann ich ihn nicht. Seine Stimme beruhigt mich.
Ich schließe die Augen und bin still.

Ich weiß nicht, was passiert ist. Warum ich auf diesem nackten Felsboden hocke, der kalt ist und feucht. Weiß nur, dass mich Adrian gefragt hat, ob ich die Höhle sehen will, die so versteckt liegt am Hang über den Mohnfeldern. ‚Klar‘, habe ich gesagt und gelächelt, weil ich mich gefreut habe, dass er ein Geheimnis mit mir teilt. Nicht viele würden die Höhle kennen, hat er gemeint, ihr Eingang sei klein und schwer zu finden. Und wer dann doch drin ist, hat er gesagt, sich zu mir umgedreht und mich angegrinst, der übersieht leicht das Wesentliche.

Den Durchgang, der sich in der Nische verbirgt, hinter dem großen Stein, in den jemand ein Herz geritzt hat.

‚Komm‘, hat Adrian gesagt, mich an der Hand genommen und in die Nische gezogen.

Wir haben ein paar Schritte gemacht und erst habe ich gar nicht glauben können, wie groß die Höhle war. Es ist auch heller gewesen, als ich gedacht hatte, und Adrian hat gemeint, dass von irgendwoher Licht hereinfallen müsse, genau hat er das auch nicht gewusst. Als ich mich dann umgeschaut habe, sind ganz in der Nähe ein paar Kiesel einen Abhang hinuntergerollt und ich wollte gleich wissen, was dort war.
Bin auf eine Kante zugegangen.

‚Elsa‘, höre ich. ‚Elsa, wach auf!‘ Ich bin müde und mein Kopf tut weh, aber ich öffne die Augen. Sehe Adrian, wie er neben mir kniet und mich besorgt anschaut. Als ich den Kopf bewege, wird mir schlecht. ‚Du blutest‘, sage ich zu ihm und deute auf seinen linken Arm, den er angewinkelt an seinen Körper presst. ‚Du auch‘, meint er. Dann grinst er und streicht mir über die Wange.

Da sei jemand gewesen, sagt Adrian, als wir zum Ausgang humpeln. Jemand, der uns gestoßen hätte, aber er habe ihn nicht sehen können. Ich nicke, verstehe aber nicht. Spüre den Schmerz in meinem Kopf, höre das Rauschen in meinem rechten Ohr. Sehe nur unsere Spuren im staubigen Boden vor dem Höhleneingang.

Keine anderen.

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