Das Kind sitzt im Schulbus. Dritte Reihe, Fensterplatz. Kein Sitznachbar. Die Bank vor ihm leer, die hinter ihm auch. Schaut aus dem Fenster. Sieht, wie die letzten Häuser der Altstadt vorbeiziehen, mit Giebel und Erker und einer Madonna im Obergeschoß. Sieht, wie die ersten Häuser der Neustadt auftauchen, mit kleinen Balkonen, bunten Zäunen um winzige Vorgärten. Keine Giebel mehr oder Erker.
Keine Madonnen.
Das Kind sitzt im Schulbus. Hält den Rücken gerade, sagt kein Wort. Hört, wie hinten die Lauten lärmen. Riecht das Speckbrot, das einer auspackt aus der Alufolie. Sieht, wie die ersten aussteigen an den Haltestellen. Ihre Mützen ins Gesicht ziehen und losstapfen nach Westen, nach Süden, nach Osten. Nach Norden nicht, im Norden liegen die Wiesen. Keine Einfamilienhäuser, keine Wohnblocks im Norden.
Keine Madonnen.
Das Kind sitzt im Schulbus. Schaut aus dem Fenster. Sieht, wie der Ort ausfranst hinter dem Supermarkt. Wie die Häuser kleiner werden. Einzeln stehen. Sieht: eine Tankstelle. Einen leer stehenden Gasthof. Ein Bordell.
Das Kind sitzt im Schulbus, alleine jetzt. Allein mit dem Fahrer. Sieht, wie die Felder beidseits der Straße liegen. Wie die Krähen nach Futter suchen, der Tag in schmutzigem Grau ertrinkt. Sieht, wie der Bus abbiegt von der Landstraße, die Siedlung näherkommt. Die kleine Arbeitersiedlung, die sie draußen gebaut haben vor der Stadt damals.
Einen Kilometer hinter dem Ortsschild.
Das Kind huscht am Fahrer vorbei, steigt aus dem Bus. Flüstert: auf Wiedersehen. Hört: nichts. Geht die Straße entlang, schaut auf die niedrigen Häuser, die alle gleich aussehen. Sieht keine Erker, keine Giebel, keine Balkone. Keine bunten Zäune. Fragt sich, wem die Madonnen gehören.
Und warum.