sagte sie

Aus dem Alltag

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Gleich wird es regnen, sagte sie.
Ja, es wird wohl ein Gewitter geben, meinte Miriam, die den Blick nicht abwenden konnte von der Frau, die sie kaum wiedererkannte. Wie viele Jahre warst du fort? fragte sie. Es müssen neunzehn gewesen sein, zwanzig vielleicht.
Der Kellner kam, stellte die Kaffeetassen auf den Tisch und die beiden Gläser mit Wasser. Kaum war er hinter dem Tresen verschwunden, teilte der erste Blitz den Himmel, schlugen Regentropfen gegen die Fensterscheibe.

Wieder hier zu sein, fühle sich eigenartig an, sagte sie. All die vertrauten Straßen und Gebäude und doch hatten sie sich verändert.
War es Landshut? fragte Miriam. Dort seid ihr doch hingezogen, du und Bernd. Ich habe mich oft gefragt, warum du den Kontakt abgebrochen hast. Warum du einfach aus unserem Leben verschwunden bist, so knapp vor der Matura. Miriam hielt die Luft an, bevor sie sagte: Du hast mir gefehlt, damals. Wir waren doch Freundinnen.

Bernd und ich waren glücklich, sagte sie. Wir hatten einander und das schien uns gereicht zu haben. Sie lachte auf. Es war ein hartes Lachen. Sagte: Wie töricht, ich weiß. Sie sah aus dem Fenster. Ein Mann huschte vorbei, zog einen Hund hinter sich her, dem der Regen nichts auszumachen schien. Der Kellner kam an den Tisch und fragte, ob alles in Ordnung sei. Sie nickte.

Ich hasse diese Frage, sagte sie. Blickte zum Kellner, der schon drei Tische weiter stand. Wann war je alles in Ordnung? meinte sie.
Miriam sah sie an, sah ihr direkt in die eisblauen Augen. Fragte: Was ist mit Bernd?

Er wohne jetzt in München, sagte sie. Ob alleine oder mit einer anderen, sie wisse es nicht. Etwas in ihr veränderte sich plötzlich. Sie lächelte und dieses Lächeln war anders als jenes, das sie bei ihrer Begrüßung gelächelt hatte. Es erinnerte Miriam an früher. An die Zeit, als sie Freundinnen waren.

Erzähl mir von dir, sagte sie.
Und Miriam erzählte.
Sie erzählte von Gerd, den sie bald nach dem Schulabschluss kennengelernt hatte. Von der Zweizimmerwohnung, in die sie gezogen waren und vom weißen Kätzchen, das er ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. Von der größeren Wohnung, die sie sich kaum leisten konnten und die sie erst mühsam renovieren mussten. Von den beiden Kindern, Sarah und Paul, die sie bekamen und die sie lehrten, was das bedeutete: Eltern zu sein. Sie erzählte von ersten Zähnen und versteckten Zeugnissen, von Pauls Zeichentalent und Sarahs Liebe zum Theater.
Hast du auch Kinder? fragte sie, als ein mächtiger Blitz über den Himmel fuhr.

Ich hatte einen Sohn, sagte sie.
Miriam schwieg. Es fand sich kein Wort, das gesagt werden konnte. Donner rollte durch die Straßen.

Klaus war ein guter Junge, sagte sie. Ein wenig wild vielleicht, aber das war ich auch, in seinem Alter. Sie sprach ruhig. Vor dem Fenster stand ein Mädchen, das sich umdrehte, nach jemandem rief.

Seine Vespa hatte einen Motorschaden, sagte sie. Auf der Landstraße. Zwei Kilometer war er durch die Nacht gegangen, dann überfuhr ihn ein Wagen. Der Fahrer hielt nicht an. Sie zögerte, trank einen Schluck Wasser.

Klaus ist im Straßengraben gestorben, sagte sie. Es hatte Stunden gedauert.
Miriam schloss die Augen. Der Fahrer? fragte sie. Haben sie -?

Ja, sagte sie. Zwei Tage nach dem Unfall. Ein Mann, Mitte vierzig. Er war wohl betrunken.
Miriam sah auf ihre Tasse. Sie war leer. Der Kellner ging vorüber, ohne in ihre Richtung zu sehen. Regen trommelte unentwegt gegen die Fensterscheibe. Das Mädchen vor dem Fenster war verschwunden.

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