Familienfest in Mariazell

Aus dem Alltag

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So ein Familienfest kann den Stoff für viele Geschichten liefern, da muss man manchmal schon aufpassen, dass keine davon im ‚Heute‘ landet. Ist ja auch blöd, wenn dich am Montag Morgen am Weg ins Büro dein Gegenüber im U-Bahn-Waggon anglotzt und zu seiner Begleitung sagt: ‚Jö schau, Herwig, das ist ja der Typ aus der Zeitung.‘ Weil dein Bild ist garantiert das einzige ohne Balken vor dem Gesicht, da sind der Kinderschänder aus Ottakring oder der serbische Juwelendieb nämlich besser dran.

Aber Familientreffen am Samstag ohnehin ganz unproblematisch, das ist ein richtig netter Tag geworden. Getroffen haben wir uns übrigens am Erlaufsee und weil sie auf der ORF-Homepage prächtiges Badewetter angesagt haben, höchstens noch am Vormittag ein paar vereinzelte Regenschauer im Mostviertel, hab‘ ich Windjacke, Haube und Handschuhe zu Hause gelassen. Ein Fehler, wenn man ins Alpenvorland reist.
Ich hätt‘ es besser wissen müssen.

Wir also aus Wien raus, bei Sankt Pölten runter von der Autobahn und über Lilienfeld und Türnitz Richtung Mariazell. Und je weiter wir kommen, desto dunkler die Wolken und in Annaberg schalten wir dann das Licht ein und in Josefsberg auch noch die Scheibenwischer und als wir am Erlaufsee ankommen, hat’s 16,5 Grad und es schüttet ganz ordentlich und da denkst du dir dann schon: baden die in der ORF-Wetterredaktion normalerweise im Eismeer? Offenbar hat mein Schwager aus Waidhofen nicht nur meine Schwiegereltern mitgebracht, sondern auch noch eine ganze Schlechtwetterfront im Schlepptau gehabt, aber er hat ja auch ein ziemlich großes Auto.

Nachdem aus dem Spaziergang am See jetzt also nix wird, gehst du halt schon um elf Uhr Mittagessen, was zwar prinzipiell schon ein wenig früh ist, wenn man nicht grad im Spital liegt, aber was willst du jetzt machen? Also rein ins Herrenhaus, wo das Fassbier natürlich ein Puntigamer ist, aber das Essen ist richtig fein, da irritiert das zugige, nasskalte Badewetter da draußen gleich viel weniger. Und nach der Cremeschnitte und dem Espresso denkst du dir: ist mir doch wurscht, was der Petrus oder die Frau Holle da draußen aufführen, Hauptsach‘, der Hosenknopf geht noch zu.

Draußen mittlerweile aber auch nimmer Sturzregen, sondern nur noch schneidiger Wind und jede Menge dunkler Wolken, fahren wir also nach Mariazell, vielleicht haben die dort ein schöneres Wetter und wenn nicht, dann wenigstens mehr göttlichen Beistand. Und als wir grad die dreihundertfünfzig Meter vom Parkplatz ins Zentrum gegangen sind, wir schon mittendrin in einer recht unheiligen Prozession. Weil, man glaubt es ja nicht, kommen wir genau zu dem Zeitpunkt an, als sich die Fanwanderung der Edlseer in Bewegung setzt, also sowas passiert auch nur uns. Und nicht dass du glaubst, da sind jetzt ein paar Dutzend ältere Menschen unterwegs, falscher könntest nämlich gar nicht liegen. Da sind soviele junge Leut‘ dabei, dass ich im ersten Moment geglaubt hab, jetzt marschieren wir schon wieder in Polen ein. Und als der Tausendfüßler dann wieder weg ist und wir grad vor der Apotheke zur Gnadenmutter stehen und ich so rauf zum Himmel schau und mir denk‘: meiner Seel‘, die Sonne kommt ja raus, wird’s vielleicht wirklich schöner werden? Ob ihr’s jetzt glaubt oder nicht: treff‘ ich doch schon wieder einen Kollegen aus der Bank.

Ende April ist mir in Maria Taferl der Hugo über den Weg gelaufen, Mitte Juni in Pulkau der Ludwig. Und in Mariazell klopft mir der Klaus auf die Schulter, reicht mir dir Hand und sagt: ‚Servus‘. Und ich drück seine Hand, krieg aber im ersten Moment gar nicht viel raus außer einem recht unartikulierten Laut, das hätte ein kirgisischer Sprachschüler in seiner ersten Unterrichtseinheit besser hinbekommen, also echt jetzt.

Im Grunde bin ich fassungslos, weil so ein gläubiger Mensch bin ich eigentlich auch nicht, dass ich ständig vor einer Kirche herumsteh‘, und soviele Leut‘ sind wir in der Bank jetzt auch nimmer, dass ich vor jeder einzelnen einen treff‘, den ich kenn‘. Aber da seht ihr wieder: so groß ist die Not in Bankenkreisen, dass unsereins schon Stammgast ist auf den Kirchhöfen.
Man hätt‘ es früher nicht für möglich gehalten.

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