Dies Haus mit seiner glattverputzten Mauer
kein falscher Zierrat mehr an der Fassade
den fraß der Krieg bis auf den letzten Rest
im Hinterhof mit einer Autowerkstatt
Meisterbetrieb steht mir in fenstergrauer
Verschwiegenheit vor Augen Tag um Tag
das Nachbarhaus als ginge er noch heute
in seinen Zimmern voller Menschen um
der Meister Tod mit Stempel und Papier:
wann er kraft seines Amtes eine Meute
Gestapo schickt die sie ins Freie hetzt
am Gehsteigrand auf eine Lasterlade
zum Abtransport er will sie ja nicht hier
daheim vor allen Leuten wegarbeiten
das wird sonst wo erledigt: Schlag auf Schlag
– an diesem Tag scheint mir als ob sie stumm
im Haus mit seiner Mauer grau und glatt
Georg und Salomon am Fenster stehen
als brennt es sie in alle Ewigkeiten
ins Glas ein wo sie wieder ohne Gnade
beim Meister Tod um Leib und Leben flehen
Für Robert Schindel.
Jan Koneffke, geboren 1960 in Darmstadt, Lyriker, Schriftsteller, Kinderbuchautor, Publizist, Übersetzer aus dem Rumänischen und Italienischen, studierte Philosophie und Germanistik in Berlin. Zuletzt erschienen: Als sei es dein, Gedichte, Heidelberg 2018; Die Tsantsa-Memoiren, Roman, Berlin 2020; Dudek, Jugendroman, Zürich 2023; Im Schatten zweier Sommer, Roman, Berlin 2024.
Jan Koneffke
Die Textrechte dieses Beitrags liegen bei Jan Koneffke, die Bildrechte bei Doris Lipp.