Der Marder ist nicht stubenrein

Aus dem Alltag

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Es wird ruhig im Kleingarten. Die Herbstarbeit ist getan und das Werkzeug in der Gartenhütte verstaut. Wer kein beheizbares Haus hat, hat es längst winterfest gemacht und lässt sich erst in einigen Monaten wieder blicken. Ein – vergleichsweise freilich kurzer – Dornröschenschlaf senkt sich über die Häuser und die Wildtiere nehmen augenblicklich die Gärten in Besitz. Überhaupt die Wildtiere. Der Marder ist einfach nicht stubenrein zu kriegen und defäkiert ungerührt in rhythmischem Wechsel auf die Fußmatte, in den Rasen oder mitten auf den Naturstein vor der Eingangstür. Die Erdwespen unter unserem Gasanschluss fliegen nicht mehr. Es war der Frost und nicht die Spindel, der den Dornröschenschlaf über sie gebracht hat. Einen richtig langen. Die Krähen sind wieder in Vollbesetzung. Ihre markanten Schreie sind Vorboten des nahenden Winters, doch die vielen Walnüsse, die sie in ihren Schnäbeln tragen, zeugen von der Fülle eines goldenen Herbstes.

Die öffentliche Freifläche am Wolfersberg ist beinahe verwaist. Nur die Hundebesitzer drehen unbeirrt ihre Runden und ihre Schützlinge hechten mit der ewig gleichen Begeisterung Bällen, Stöcken oder unsichtbaren Katzen hinterher. Die Väter mit ihren bunten Drachen und den gelangweilten Söhnen sind verschwunden, und der Wind hat sich dann auch verflüchtigt. Nach Westen hin verliert sich die Autobahn in den Hügeln des mittlerweile schon arg entlaubten Wienerwalds und im Norden grüßt die Richtfunkstation Exelberg zu uns herüber. Weit weg ist die nicht und eine richtig schöne Kurzwanderung ist das dorthin, über die Knödelhüttenstraße, den Halterbach entlang, vorbei an der famosen Rieglerhütte und schließlich die Bergetappe hinauf zur Sophienalpe.
Aber heute soll uns der Wolfersberg genügen, wo sich die Krähen an der Schnittstelle von Sonn- und Schattseite versammeln und ganz geschäftig tun. Ihre klugen Augen, ihre Unnahbarkeit und die schiere Zahl an Individuen gebieten Respekt. Ein Jammer, dass Marder nicht auf ihrem Speisezettel stehen. Also keine lebenden halt.

Es wird viel gebaut im Kleingarten. Immer mehr alte Häuschen verschwinden, folgen binnen Jahresfrist ihren verstorbenen Besitzern. Werden ersetzt durch Neues, Modernes. Es ist auch Schönes darunter. Längst hat er sie entdeckt, der Immobilienmarkt, Kleingärten sind begehrt und voll im Trend. Man merkt den Wandel. Aber wir sind ja selbst Teil des Wandels, sind auch erst vor drei Jahren zugezogen. Sind immer noch Neulinge unter vielen Alteingesessenen. Er ist ein sympathischer Mikrokosmos, dieser Kleingarten, eine dörfliche Gemeinschaft auf engstem Raum. Am Rande einer Millionenstadt, von der nur wenig zu sehen ist. Sehr wenig.

Wir drehen noch eine Runde. Vorbei am Wasserturm und dem kleinen Fußballplatz, auf den sich nur mehr selten genügend Buben für ein anständiges Match verirren. Vorbei an den einladenden Bänken, die nun, im November, meist unbesetzt bleiben. Am Rand des winzigen Waldes entlang, der die Kuppe des Wolfersbergs bedeckt. Der aber groß genug ist, um Füchsen und Dachsen eine Heimstatt zu bieten. Und Mardern natürlich.

Irgendwo da drinnen lebt er, der Marder, der einfach nicht stubenrein zu kriegen ist. Es mag einen Versuch wert sein, sich die Krähen zu Verbündeten zu machen. Vielleicht finden sie ja doch Gefallen an einer kreativen Erweiterung ihres Nahrungsprofils.
Wer weiß?

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