Die Dämmerung senkt sich sanft über den Wolfersberg, die Nachbarskatze streicht gelangweilt an unserer Verandatür vorbei, eine große Tasse dampfenden Kaffees steht schwarz und verheißungsvoll vor mir auf dem Wohnzimmertisch und Macy Gray intoniert die ersten Takte von ‚Redemption Song‘, einem der vielen grandiosen Vermächtnisse Bob Marleys an die Menschheit. Der Moment könnte nahezu perfekt sein, ein Augenblick stillen Glücks in einem Ozean achtlos verlebter Zeit. Wäre da nicht das Klopfen, das die Stille zerreißt wie das Knattern eines weit entfernten Maschinengewehrs.
Dieses Klopfen fährt mir durch Mark und Bein, raubt mir augenblicklich Glücksgefühl und Seelenfrieden, lässt meinen Puls ansteigen und meine Zuversicht schwinden. Denn dieses Klopfen ist uns nicht fremd. Und es kommt nicht von draußen.
Es ist der Dämon der Haustechnik.
Die Haustechnik, dieses Purgatorium der Eigenheimbesitzer, lehrt früher oder später jedem den Glauben an eine höhere Macht. Welch ahnungsloser Kleingeist, der bedingungslos der technischen Kompetenz von Ingenieurskunst und Handwerk vertraut. Der meint, mit Aufklärung und dem vermeintlichen Triumph der Technik seien die Geisterwesen, die seit Urzeiten das Leben unserer Vorväter bestimmt und begleitet haben, verschwunden.
Denn hinter der allzu dünnen Decke des Fortschritts lauern nach wie vor die uralten Geister und Dämonen. Und einer davon wohnt scheinbar in unserer Heizungsanlage.
Begonnen hat es mit einem leichten Knattern. Ein rhythmisches Geräusch aus den Eingeweiden der Steuerungseinheit unserer Gaszentralheizung, das sich über das Rohrleitungssystem beunruhigend kraftvoll verstärkte und in der Stille der Nacht zu einem nervigen Crescendo anschwoll. Das Geräusch war unkontrollierbar wie ein testosterongetriebener Siebzehnjähriger und kam und ging nach Belieben. Sein Auftreten schien unergründlich, war im Großen und Ganzen aber ob seiner zeitlichen Begrenztheit erträglich. Es sprach eine Sprache, die wir nicht verstanden, die der Fachmann jedoch gewiss entschlüsseln konnte.
Als der kam, war kein Laut zu hören. Der gute Mann ließ sich unsere Geschichte erzählen, meinte beschwichtigend, so schlimm könne die Sache offenbar nicht sein und zu Beginn der nächsten Heizsaison würde sich bestimmt alles wieder einrenken. Dann stellte er uns einen Betrag in Rechnung, der Rückschlüsse auf das übersteigerte Selbstbewusstsein seiner Branche zuließ.
Keine zwei Stunden später begann das Rattern erneut, heftiger und länger als zuvor, als verlange es nach einem Opfer, das wir ihm nicht geben konnten.
Der Sommer kam und mit ihm verschwand der Gedanke an die akustischen Eigenheiten unserer Heizungsanlage. Zu Beginn eines ungewöhnlich freundlichen Herbstes ließen wir eine Thermenwartung durchführen und der überaus hilfsbereite Mann meinte, unser kleines Problem würde wohl von der Pumpe verursacht werden.
Also riefen wir einen Installateur – einen anderen diesmal – und schilderten einmal mehr unsere Geschichte vom Klopfen und Rattern, das immer häufiger auftrat und zunehmend erboster klang.
Als der Installateur kam, war nichts zu hören.
‚Schade‘, hat er gesagt, etwas gelangweilt wie mir schien, und dann die Pumpe gewechselt. Danach hatten wir eine neue, deren Preis auf einen kommerziellen Einsatz in der Raumfahrttechnologie schließen ließ, eineinhalb Bar weniger Druck im Heizkreislauf der Solaranlage und ein Klopfen, das lauter war als je zuvor.
Wir waren ratlos. Der Fachmann war erstaunt, meinte, dass dies durchaus ungewöhnlich sei und er im Übrigen mit dem Druckverlust im Solarsystem nichts zu schaffen habe. Dann legte er eine Rechnung, deren Höhe mich im Unterschied zur Heizanlage verstummen ließ, und ging.
Es ist Nacht geworden am Wolfersberg. Vor mir steht ein Glas unverschämt guten burgenländischen Rotweins und ich höre ‚Hard Times‘ von Gillian Welch. Ihre klare und eigentümlich beruhigende Stimme flutet den Raum und erfüllt mich mit einem Gefühl träger Zufriedenheit. Und während ich das Glas an die Lippen setze, genieße ich gleichermaßen den Wein, die Musik und das Schweigen der Haustechnik.
Den Dämon in unserer Heizungsanlage konnten wir durch eine Reihe kultischer Handlungen, die eher religiöse denn logische Züge tragen, besänftigen. Vertreiben konnten wir ihn nicht. Das Klopfen und Rattern ist nie weit entfernt, der Dämon verlangt Aufmerksamkeit. Es ist ein brüchiger Friede, stets gefährdet durch ein nicht geöffnetes Ventil oder eine unvorteilhafte Kombination von Außentemperatur und Radiatoreinstellungen.
‚Hard times ain’t gonna rule my mind no more‘, singt Gillian ein letztes Mal. Wie recht sie hat.