Einkehr

Aus dem Alltag

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Al Bano und Romina Power singen ganz euphorisch ‚Felicità‘, als wir das Lokal betreten. Die beiden sind gegenwärtig zweifellos das Italienischste im Umkreis von einem halben Kilometer, darüber können auch das knallbunte ‚Ristorante‘-Schild, der Pizzaofen und die grün-weiß-roten Tischsets nicht hinwegtäuschen.

Die Pasta ertrinkt im Sugo, die Pizza räkelt sich in einem fetttriefenden Knoblauchrand und ordert man ‚il conto, per favore‘, wird man höflich an die Bank zwei Gassen weiter verwiesen. Die Krumen in den Ritzen der Sitzecken legen Zeugnis von den Essgewohnheiten früherer Besucher ab, die letzten makellos sauberen Tischdecken wurden im Jahr 2014 gesichtet und die Toiletten erinnern an eine späte Installation von Joseph Beuys.

Und dennoch: es ist ein Ort stiller Behaglichkeit, an dem die Menschen freundlich miteinander umgehen, das Essen passabel ist und das Ambiente unkompliziert. Und sie kredenzen hier Hacker-Pschorr vom Fass.

Drei junge Frauen lesen einander mit zunehmend schriller Begeisterung ihre Jahreshoroskope vor. Am Ecktisch zwischen Fensterfront und Raucherraum diskutieren zwei Männer in ihren Mittvierzigern gleichermaßen kenntnisreich wie kontroversiell über die Gewerkschaftsbewegung, während sie sich unaufgeregt ihrem dritten Bier widmen. ‚I hab jetzt drei Seitensprünge g’habt seit März‘, sagt ein Endzwanziger zu seinen beiden Freunden am Nebentisch und ich frage mich ganz unwillkürlich, ob er dies wohl als Triumph verbucht oder als sexuellen Misserfolg.

Der Einzeltisch neben dem Kücheneingang ist verwaist. Bei nahezu jedem meiner sporadischen Besuche saß dort der alte Mann, den man zuweilen auch beim Einkauf oder in der Apotheke traf. Er war einer jener stillen Zecher, die nie ein leeres Glas Wein vor sich dulden können und ein volles auch nicht. Es hat wohl zwei Jahre gedauert, bevor wir ein paar Worte gewechselt haben, von Stammgast zu Stammgast. Mehr hätte das fragile Gleichgewicht indifferenter Koexistenz gestört und wäre einer unangemessenen Behelligung gleichgekommen.
Der alte Mann sitzt schon seit geraumer Zeit nicht mehr auf seinem angestammten Platz und ich scheue mich, nach seinem Verbleib zu fragen.

Ein älteres Ehepaar beendet gerade seine Mahlzeit in bleiernem Schweigen, als unsere Pasta serviert wird. ‚Dove sarai anima mia, senza di te mi butto via‘, meint Eros Ramazzotti.
Aber eine Antwort kann ich ihm nicht geben.

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