Apfelbaumblüte

Gastbeiträge

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Der knochrige Apfelbaum an der Hauswand blühte
noch zart, die kleinen grünen Blätter in den Mai
hereinragen, auf der Holzbank liegt nebenbei
dein Glück, bevor es im lauten Regen verglühte.

Von des Wetter Laune tief ins Gesicht geschlagen
liegen die Falten des Lebens dir zur Zierde.
Noch nicht aufgehört hat deine unstillbare Neugierde,
über dein Essen wird sich der Enkel nicht beklagen.

Länger nicht mehr besucht die Maiandacht in der Kirche.
Nicht mehr tragen die Knie deinen Leib so weit.
An der Wand in der Stube hängen die erlegten Hirsche.

Deinen Gustav hast du längst zu Grabe getragen.
Beim Gedanken an den Enkel überkommt dich Heiterkeit,
als könntest fliegen laufen deine Füße an diesen Maitagen.

Stefan Heyer, * 1965 Mönchengladbach, verheiratet, zwei Kinder, lebt in Augsburg. Studium der Germanistik und Philosophie in München, Promotionsstudium in Essen.
Zuletzt erschienen: „Schwarzer Kaffee auf der müden Zunge“, Gedichte, Epubli Verlag, Berlin 2021 und „Resonanzen/Korrespondenzen“, Gedichte, Passagen Verlag, Wien 2019.
Wissenschaftliche Texte: „Zwischen Eins und Null. Versuch über John Cage“, in: M. Kleiner, A. Szepanski (Hg.), Soundcultures, Suhrkamp 2003 und „Deleuzes und Guattaris Kunstkonzept. Ein Wegweiser durch Tausend Plateaus“, Passagen Verlag, Wien 2001.
Außerdem zahlreiche Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien (Lyrik und Kurzprosa).

Die Textrechte dieses Beitrags liegen bei Stefan Heyer, die Bildrechte bei Doris Lipp.

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