Blutstill

Aus dem Alltag

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Still ist es, als die Axt den Hackklotz trifft. Blutstill. Elsa, die eben noch lief, Adrian! schrie, bleibt stehen, will etwas sagen, kann es nicht. Steht also, mit offenem Mund, hängenden Armen, zitternden Knien, schaut auf Adrian, der die Axt loslässt, auf seinen Zeigefinger starrt. Sieht, wie Blut über den Hackklotz läuft, sieht den Schmerzensschrei, der, ungerufen, in Adrians Gesicht erstickt. Adrian schließt die Augen, kurz nur, atmet tief, hebt den Arm, presst sein T-Shirt auf den Finger. Es ist, sagt er, dreht sich zu Elsa, nur die Fingerkuppe. Nur die Fingerkuppe, wiederholt Elsa, mechanisch, ratlos. Sie schüttelt den Kopf, muss lachen, aus Unglauben, aus Wut, aus Verzweiflung. Läuft los, zu Adrian, zum Hackstock. Zur abgetrennten Fingerkuppe.

Zitternd kniet sie neben ihm, löst den Verband, den sie am rechten Arm trägt, presst ihn an die blutende Wunde. Warum? fragt sie, schreit es beinahe, schielt auf die Fingerkuppe, die am Hackstock liegt, kämpft gegen Übelkeit und Tränen. Sprich mit mir! sagt sie, sagt es ihm, der am Boden hockt und schweigt. Sie sieht ihn an, schaut in seine moordunklen Augen, die ihre Narben sehen, an den Armen, an den Händen. Wenn du leidest, will ich es auch, flüstert Adrian. Er ist so bleich im Gesicht, denkt Elsa. Ich muss Hilfe holen, denkt Elsa.
Was hast du gesagt?
Adrian antwortet nicht, sieht zu Boden. Grinst.

Die Fingerkuppe! ruft Elsa, dreht sich um. Lass sie, sagt Adrian, der über den Hof stapft, aufs Elternhaus zu. Elsa weiß, dass er recht hat. Sie schließt die Tür, läuft zu Adrian, nimmt seine unverletzte Hand in ihre. Mach das nie wieder, sagt sie. Versprich es!
Adrian bleibt stehen. Schaut auf. Sieht die Träne, die in ihrem Augenwinkel hängt. Du bist nicht alleine, sagt er.
Du bist irre, flüstert sie, wischt sich die Träne aus dem Auge.
Adrian zuckt mit den Schultern, grinst. Sagt: Ich weiß. Und: Jetzt komm. Meine Hand tut höllisch weh.

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