Dort vorn: hodie

Aus dem Alltag

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Vor mir die Straße, nasser Asphalt; strähnige Wolken, sich spiegelnd in öligen Pfützen. Dort vorn: ein Paar, das, Hand in Hand, die Fahrbahn quert, aufsieht, mir ein Zeichen gibt. Ich nicke, blicke zu Boden, sehe den Pinsel, der im Rinnstein liegt, die Risse im Asphalt, die Inlineskates an meinen Füßen. Wie neu wirken sie und sind doch drei Jahrzehnte alt, Zeichen vergangener Jugend. Ich hebe den Kopf, fahre los, zögerlich erst, mutiger bald. Ich fahre, den Wind in Haar und Ohren, ziellos und schnell, durch Pfützen, über nasses Laub. Ich lächle.

Dort vorn: ein Abhang, der näher kommt und näher. Menschen, die auf einer Plattform stehen, plaudernd in den Abgrund schauen. Ich habe keine Angst, weiß, dass ich bremsen könnte, stoppen. Will es nicht.
Ich springe.

Dort vorn: Wiesen, Felder, Wege, Gassen, Tiere, Menschen, Häuser, Flüsse, unberührte Flecken Erde. Schön ist die Welt von hier oben, denke ich, staune, staune, fühle mich frei. Und weiß doch: hier kann ich nicht bleiben.

Ich falle. Wohin? frage ich mich, schaue, suche. Begreife: kein Weg führt zurück an den Ort, wo ich sprang. Ich lächle.

Ich stehe, weiß nicht, wo. Sehe niedrige Häuser, gepflasterte Gassen, Blumen in winzigen Gärten. Ein Paar, das, Hand in Hand, aus einer Tür tritt, mich grüßt, mir eine Frage stellt. Ich verstehe sie nicht. Der Mann, die Frau, sie lächeln beide, nicken, deuten nach links, auf ein Schild. Ich schaue, lese: hodie. Was soll es bedeuten? frage ich mich, wende den Kopf. Wache auf.

Ratlos, dass ich im Bett sitze, mir den Schlaf aus den Augen reibe. Ich mache Licht, stehe auf, denke: hodie. Gehe ins Nebenzimmer, schaue auf das Regal mit den alten Wörterbüchern. Welche Sprache? frage ich mich. Welche Sprache soll das sein? Instinktiv, dass ich nach dem Latein-Buch meines Vaters greife, es aufschlage, auf Anhieb die richtige Seite finde. hodie, lese ich. Heute. Staunend, lächelnd, stehe ich, das alte Buch in Händen. Weiß nun: Ich sprang, sprang ohne Furcht. Und landete im Heute.

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