Einklang

Aus dem Alltag

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Großvater weiß, dass ich es bin. Vielleicht hat er mich an meinen Schritten erkannt, oder der Art, wie ich die Tür aufgemacht und wieder geschlossen habe. Er öffnet die Augen, dreht den Kopf in meine Richtung. Manuel, flüstert er. Lächelt. Ich will auch lächeln, aber es gelingt mir nicht. Ich hole tief Luft, blicke zu Boden, sehe ein Heftpflaster, das neben meinem linken Schuh liegt. Es ist nicht blutig, also bücke ich mich, hebe es auf, werfe es in den Mülleimer, der im Waschraum steht. Großvater, ich weiß es, sieht mich an, die ganze Zeit über, sagt aber nichts. Das Sprechen fällt ihm schwer, seit er wieder im Krankenhaus ist. Mir ist das Sprechen immer schon schwergefallen.

Großvater stirbt, ich weiß das. Ich weiß auch, dass er sich Sorgen um mich macht. Ich habe ihm gesagt, dass er das nicht muss, dass ich zurechtkomme, aber er glaubt mir nicht. Dabei bin ich es, der sich Sorgen um ihn macht. Er hat ja Schmerzen, seit Wochen schon; und die Tabletten, die er nimmt, helfen nicht mehr. Es wird besser werden, wenn er im Krankenhaus ist, hat Martha gesagt. Sie werden sich um die Schmerzen kümmern. Mir wäre lieber, denke ich mir, sie würden sich um Großvater kümmern. Ich gehe zum Tisch, der an der Wand steht, nehme mir einen der drei Sessel. Der Tisch, fällt mir auf, hat eine merkwürdige Farbe, für die ich gar keinen Namen habe. Irgendetwas zwischen flaschengrün und einem hellen Türkis. Ich stelle den Sessel neben Großvaters Bett, setze mich und lege meine Hand auf seinen Oberarm. So mager ist er geworden, denke ich und schäme mich gleich dafür. Ich schweige, weil da nichts ist, das es zu sagen gibt. Großvater legt seine linke Hand auf meine, sieht mich an. Dann lächelt er. Und dieses Mal kann ich es auch.

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