Endlose Menschenkette
Hängt um seinen Hals
Erstickt selbst erstickend
Das barmherzig erscheinende Jahrhundert
Stets mit Vorsatz für –
Fürsorgend, fürsprechend
Fürchterlich führend –
Überzählige Passagiere
Eines bodenlosen Bootes zur Rettung entsandt
Erfasst es bestätigte Verluste – allein der Statistik wegen –
Und versorgt, da Erde nicht mehr zu verteilen ist
Die Siedler mit Gehöften im Himmel
Mit Namen, Familiennamen, Träumen
Und fragt.
Wie viele Hektar Leben?
Dann, bedeutungsvoll, von Sinnen
Verstummt es.
Aus:
Ioulita Iliopoulou: Das Mosaik der Nacht, Verlag Razamba, Offenbach am Main 2023
Ioulita Iliopoulou, eine der meistbeachteten zeitgenössischen Dichterinnen Griechenlands und bereits in mehrere Sprachen Europas übersetzt, ist im Deutschen jedoch kaum bekannt. Sie studierte byzantinische und neuere griechische Literatur in Athen und Theater an der Schauspielschule des Athener Konservatoriums. Ihr erster Gedichtband «Schöne Sonnenwende, Marko» («Καλούς ενιαυτούς Μάρκο») wurde 1987 veröffentlicht. Es folgten sieben weitere Bücher, unter anderem das Märchen «Was will Zenon?» («Τι ζητάει ο Ζήνων», mit dem Griechischem Staatspreis für Literatur 2004 ausgezeichnet).
Sie hat Lyrik und Essays aus dem Englischen ins Griechische übersetzt, Libretti und Texte zu Liedern von Giorgos Kouroupos geschrieben und mit dem Orchester der Farben von Manos Hadjidakis und der Stiftung Melina Mercouri Musik- und Lyrikprogramme entwickelt. Ioulita Iliopoulou war bis zu seinem Tod die langjährige Lebensgefährtin des Dichters und Literaturnobelpreisträgers Odysseas Elytis.
Der vorliegende Lyrikzyklus «Das Mosaik der Nacht» («Το Ψηφιδωτό της Νύχτας») erschien 2018 und ist ihr achter Band. Ihre letzte Gedichtsammlung «Muttererde» («Γή Μήτηρ») ist 2023 erschienen.
Ioulita Iliopoulou: «Das Mosaik der Nacht» (aus der SWR-Reihe «Gedichte und ihre Geschichte»)
Giorgis Fotopoulos ist Übersetzer mehrerer Sammlungen griechischer Lyrik und Essays v.a. von Odysseas Elytis. Er hat einen Master of Arts in Philosophie und Film der Freien Universität Berlin und war Filmkritiker für u.a. Der Tagesspiegel und Regieassistent für hauptsächlich griechisch-deutsche Kinoprοduktionen v.a. bei Theo Angelopoulos als auch Dramaturg und Regisseur an verschiedenen Berliner Off-Theatern. Er hat Essays veröffentlicht u.a. zu «Das Drama des Denkens» im Philosophiejournal Coincidentia, zur «Poesie der Meditation», zu «Masken und Macken» und zu «Das Heilige» als auch Haikus für das Literaturjournal Experimenta.
Er war Dozent für Film an der Humboldt-Universität, der Freien Universität und der Universität der Künste in Berlin und ist Autor, Produzent und Regisseur mehrerer Poesie- und Dokumentarfilme u. a. für Arte und das Schweizer Fernsehen. Sein Kinofilm «Akou» wurde 2007 auf dem Filmfestival von Thessaloniki mit dem Digital Alexander ausgezeichnet.
Die Rechte am Originaltext liegen bei: Ypsilon Books Publishing House (Athen) und Ioulita Iliopoulou, jene der deutschen Übersetzung beim Verlag Razamba. Die Bildrechte liegen bei Doris Lipp.
ΕΙΚΟΣΤΟΣ ΠΡΩΤΟΣ ΑΙΩΝΑΣ
Μιά μακριά ἁλυσίδα οἱ ἄνθρωποι
Πού φορᾶ στόν λαιμό του
Πνίγει καί πνίγεται
Ἐλεήμων τάχα αἰώνας
Μέ τήν πρόθεση πάντα – κατά
Καταγράφει, καταδεικνύει
Καταμετρᾶ – καταπέλτης – τούς ὑπεράριθμους ἐπιβάτες
Μίας λέμβου ἄυλης πού στάλθηκε νά διασώσει
Σημειώνει τίς βεβαιωθεῖσες ἀπώλειες – γιά λόγους στατιστικῆς μόνον –
Καί μήν ἔχοντας ἄλλον χιτώνα γῆς νά μοιράσει
Κατανέμει τ‘ ἀγροκτήματα τοῦ οὐρανοῦ στούς ἐποίκους
Ὄνομα μικρό κι ἐπώνυμο τ‘ ὄνειρο
Ἐκτάρια πόσα ζωῆς; Ρωτᾶ.
Ὕστερα πλήρης νοήματος, ἄφρων
Σωπαίνει.