Elf Wochen

Aus dem Alltag

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Sie träumte; und dass sie träumte, wusste sie. Der Tag, in dem sie sich fand, war ein freundlicher, war sonnenhell, frühlingsmild. Eine träge Ruhe klebte an ihm, die ihr angenehm war, sie stillstehen ließ, warten, schauen. Worauf sie wartete, ahnte sie nicht. Also stand sie, ruhig, ruhig atmend auch, am Gehsteigrand, sah auf die Fahrbahn, die Häuser, das Licht. Seltsam leer war die Stadt, dachte sie und hörte, wie hinter ihr eine Haustür ins Schloss fiel, sich Schritte entfernten, ein Rabe seinen heiseren Schrei in die Straße stieß. Sie drehte den Kopf nicht, stand und sah und wartete, eine ganze Weile, bis ein Motorrad vorfuhr, neben ihr hielt. Es war ein altes Modell, aus den Sechzigern, womöglich. Den Fahrer kannte sie nicht. Das Motorrad zog einen Wagen, und auf der Ladefläche saß, im Schneidersitz, ein Mann. Sie runzelte die Stirn, sah, dass er Chinese war. Vor ihm, sie konnte es kaum fassen [und wusste doch, dass sie träumte], ein Tonbandgerät das jenem glich, mit dem sie ihren Sprechfehler behoben hatte, vor Jahrzehnten. Dann dieses Lied, das sie hörte; das sie kannte, doch nicht mehr wusste, wer es sang: Ich will nur, dass du tanzt zu diesem Lied. Ich will nur, dass du glücklich bist, Marie. Sie neigte den Kopf, sah zu dem Mann auf der Ladefläche. Er beachtete sie nicht.

Später, im Büro schon, dass ihr Telefon läutete. Der Bruder, dachte sie. Sie stand auf, ging ins Nebenzimmer, nahm das Gespräch an. Hallo, sagte sie, sah aus dem Fenster. Vater hatte einen Schlaganfall, sagte der Bruder. Seine linke Seite ist gelähmt. Beide schwiegen eine Weile. Er kann kaum sprechen, flüsterte der Bruder, verstummte. Sie schloss die Augen. Wie lange ist es her, dass Mutter starb? fragte sie. Elf Wochen, sagte er. Es sind bloß elf Wochen, Marie.

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