Flügel

Aus dem Alltag

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Die Jugend hatte uns Flügel geschenkt, die uns die Zeit dann gestutzt hat. Langsam, sodass wir es anfangs gar nicht bemerkten. Damals, da hat uns die Nacht nicht geängstigt und jetzt fürchten wir uns vor den Schatten, die länger und länger werden.

Auf den Wiesen, über die wir als Kinder gelaufen sind, stehen jetzt Einfamilienhäuser. Die Bäche, die wir mit einem mutigen Sprung gequert haben, sind längst überbaut. Kein Hase verirrt sich mehr in den Garten unserer Kindheit und die Eltern haben vergessen, dass die Igel Zuflucht gesucht haben im Laubhaufen, den der Wind in der hintersten Ecke aufgeschichtet hatte.
Der Ziegelmauer, die das Gewicht unserer Kindheit schon kaum tragen mochte, dürfen wir die Last unserer Jahre nicht zumuten.

Die alte Waschküche steht noch. Lehnt sich ans Haus, als würde sie Schutz suchen vor dem Nordwind oder dem kalten Glanz der Sterne. Bald fünfzig Jahre ist es her, dass die Mutter das letzte Wäschestück aus dem Bottich gezogen und mühsam ausgewrungen hat, bevor die erste Waschmaschine ins Haus kam. Das Motorrad des Bruders stand später in dem kahlen Anbau und dann die Dinge, für die sich kein Platz mehr fand im Haus und die schließlich verloren gingen im letzten aller Räume.

Wir hatten nichts gewusst von der kleinen Welt und der großen Liebe. Nichts geahnt von den Enttäuschungen, die auf uns warteten, und den Triumphen. Dem Leben, das wir leben würden. Wir wussten nicht, dass wir Flügel hatten, die uns die Zeit einstutzen würde.

Damals, da hat uns die Nacht nicht geängstigt.

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