Hast du gesagt

Aus dem Alltag

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Der Birnbaum, hast du gesagt, wird keine Früchte tragen. Der Bach, der die Wiese begrenzt, kein Wasser mehr führen. Jenseits der Straße, wo die Äcker beginnen, wird kein Getreide mehr gedeihen und sogar die alten Rebstöcke, die hangaufwärts stehen und deren Wurzeln tief im Boden nisten, werden verdorren.
Weil ihr nicht verstehen wollt, hast du gesagt.

Als du noch lebtest, hast du vieles gesagt, was wir nicht hören wollten. Immer schon. Aber jetzt, wo du verstummt bist und kein Wort mehr gegen uns richtest, wird dein Schweigen immer lauter, sodass wir manchmal deine Stimme vermissen.

Die Kräuter, die vor eurer Haustür wachsen, im Graben und am Feldrand, werdet ihr nicht mehr sehen, hast du gesagt. Kein Rebhuhn wird sich mehr in den Weingarten verirren, kein Hase in die Äcker. Nichts davon werdet ihr vermissen, hast du gemeint. Dann werdet ihr vergessen, dass es sie je gab. Wir hatten gelacht und dir nicht geglaubt. Deine Sorge nicht verstanden.
Aber was, dachten wir, weiß ein alter Mensch schon von der neuen Welt?

Das Land, das uns Heimat war, wird euch Gefängnis werden, hast du gesagt. Die Menschen eine Bedrohung. Wer uns Nachbar war, wird euch fremd sein. Eure Geldbörse werdet ihr immer enger an euch drücken und hohe Zäune werdet ihr bauen, obwohl sie euch nichts nützen werden. Eure Herzen werden das Lachen verlernen und so vertrocknen wie der Boden, den ihr nicht mehr achtet.
Doch ihr werdet sie nicht bewässern können, hast du gesagt.

Manchmal frage ich mich, ob deine Mahnungen nicht doch mehr waren als die Narreteien einer alten Frau. Dann aber trete ich vor die Tür, sehe das Getreide auf den Äckern reifen und die Trauben an den Rebstöcken hängen. Höre den Bach, der immer noch die Wiese begrenzt, obschon er weniger Wasser führt als früher. Deine Warnungen, denke ich mir, waren dem Aberglauben geschuldet und dem Festhalten an Regeln, die schon lange nicht mehr gelten.

Der Birnbaum aber trägt heuer keine Früchte.

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