Irrlichter

Aus dem Alltag

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Es wird schneien, sagte der Bettler zum Mädchen und zeigte auf den Mond, der matt am Himmel hing. Sarah, die nicht wusste, was der Mond mit dem Wetter zu schaffen hatte, legte die Stirn in Falten und nickte. Sie sah nach ihrer Mutter, die, ein Stück die Straße hinunter, mit einer Freundin sprach. Wie hell ist die Dunkelheit? fragte der Bettler.

Die Dunkelheit ist nicht hell, antwortete das Mädchen, ein wenig forsch vielleicht, denn es fühlte sich geneckt. Sarah stemmte die Arme in die Seiten und blickte finster. Der Mann lächelte. Du irrst dich, sagte er, lehnte den Kopf gegen die Mauer, die müde wirkte von der Last der vergangenen Zeit. In ihrer Mitte, sagte er, ist sie ganz hell, viel heller als die Sonne. Du lügst! rief das Mädchen, aber seinem Ruf fehlte bereits die kalte Schärfe der Selbstgewissheit. Sarah fasste sich an die Nase. Woher willst du das wissen? fragte sie. Weil ich lange durch die Dunkelheit gegangen bin, antwortete der Bettler. Sarah begriff, dass der Mann nicht log. Hast du dich gefürchtet? fragte sie. Ihr Tonfall war sanft geworden, forschend. Der Bettler sah sie an, nickte. Sehr sogar, sagte er. Ich musste mich oft betrinken, um die Angst ertragen zu können. Er hob den Kopf, sah zum Mond. Es wird schneien, sagte er wieder. Sarah tat es ihm gleich, wunderte sich, wie viele Lichter am Himmel standen. Dass es schneien würde glaubte sie nicht. Die Dunkelheit siegt nicht, flüsterte der Mann. Er sagte es wie einer, der wusste, wovon er sprach. Manchmal verschluckt sie das Licht, sagte er, aber sie kann es nicht löschen. Hinter der Angst aber, hinter der Dunkelheit, liegt immer das Licht. Sarah erschrak. Sie begriff, dass der Mann die Wahrheit gesagt hatte, eine tiefere Wahrheit. Eine von jenen Wahrheiten, die man nicht oft hörte, von denen die Menschen nicht gerne sprachen. Sarah nickte, beide schwiegen sie eine Weile, bis ihre Mutter nach ihr rief. Ich muss gehen, sagte sie und reichte dem Bettler die Hand. Der Mann lächelte. Wenn es dunkel wird, sagte er, schließ die Augen und lösch die falschen Lichter. Lösch die Irrlichter und du wirst immer nach Hause finden.

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