Einträchtig grast ein weißer Zirkusrappe neben einem schwarzen Schimmel. Das alte Pony, das sich als Karussellpferdchen verdingte, hat genug von der schwindligen Welt gesehen. Ein pensioniertes Grubenpferd wird von Mädchenhänden gestriegelt. Der müde Ackergaul träumt seinen Mustangtraum im stehenden Schlaf. Die ehemalige Dressurstute, die an einem Knorpelschaden leidet, himmeln alle schnaubend an. Auf dem sanftmütigen Hengst, der sich hier versteckt hält vor den Hornstößen der früheren Kavallerie, lernen Anfänger das Reiten. Auch des Sankt Martins Ross erhält sein Gnadenbrot.
Aus:
Walle Sayer: „Das Zusammenfalten der Zeit“, erschienen im September 2022, Kröner Edition Klöpfer.
Walle (Walter-Hermann) Sayer, 1960 geboren. Kindheit und Jugend im Schatten des 1478 erbauten und 60 Meter hohen Bierlinger Kirchturmes, der mit seiner Höhe „ein Veto ragt ins amtierende Licht“. Lebt und schreibt in Horb am Neckar. Veröffentlicht seit 1984 Gedichte und Prosa. Verschiedene Auszeichnungen, zuletzt: Basler Lyrikpreis 2017 sowie Gerlinger Lyrikpreis 2018; 2020/2021 erhielt er ein Werkstipendium des Deutschen Literaturfonds.
Zuletzt erschienen: „Das Zusammenfalten der Zeit“, Prosagedichte und Erzählminiaturen, Kröner Edition Klöpfer 2022, „Nichts, nur“, ein Auswahlband, Kröner Edition Klöpfer 2021, „Mitbringsel“, Gedichte, Klöpfer 2019 und „Was in die Streichholzschachtel paßte“, Feinarbeiten, Klöpfer&Meyer 2016.
Walle Sayer
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