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Aus dem Alltag

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Er hatte Erdnussbutter im Gesicht. ‚Du hast Erdnussbutter im Gesicht‘, sage ich und zeige auf seine rechte Wange. ‚Wo?‘, fragt er, fährt mit dem Handrücken quer über den halben Kopf und grinst mich an wie ein Säugling seine Lieblingsrassel. ‚Jetzt so ziemlich überall‘, sage ich und beiße in mein Butterbrot.

‚Wann hast du eigentlich diese große Prüfung?‘, frage ich und nehme einen Schluck vom Getreidekaffee. ‚Mmmhhh‘, grummelt er und mir wird ganz flau im Magen. Ich orte Unbill. ‚Peter‘, sage ich und merke, wie mir die erste Silbe ein wenig hart gerät. Ich schlucke, schaue auf meine Fingernägel und ertappe mich dabei, wie ich auf meiner Unterlippe kaue. ‚Peter‘, sage ich noch einmal und bin diesmal zufrieden mit meiner Impulskontrolle. ‚Was willst du mir sagen?‘

‚Gar nichts‘, meint er, kratzt sich unbeholfen am Hinterkopf und starrt verzweifelt auf sein Handy. Ich klammere mich an die Tasse mit dem Getreidekaffee und unterdrücke das Verlangen nach einer Zigarette, das plötzlich in mir aufflammt wie damals der Dornbusch in der Wüste. ‚Peter‘, sage ich und es ist mir egal, dass mir die erste Silbe wieder ein wenig hart gerät und die zweite auch. ‚Schau mich an!‘ Er seufzt und gibt klein bei. Legt sein Handy beiseite und sieht mich an wie ein Dackel sein Herrchen. Dann hebt er die Hände, als würde er zu einer Volksrede ansetzen oder den Segen ‚urbi et orbi‘ spenden wollen, was weiß denn ich. ‚Es ist nur so‘, meint er, ‚dass ich … dass ich überlege, ob ich nicht ein Semester aussetzen sollte‘. Ich fühle mich wie ein Stier, dem man gerade mit einem Hammer zwischen die Augen geschlagen hat.
‚Und das Studium wechseln‘, fügt er hinzu.

‚Du willst was?‘, sage ich, sicher zwei Oktaven zu hoch. Ich überlege, ob nicht noch irgendwo ein paar Zigaretten herumliegen, zum Teufel mit der Impulskontrolle. ‚Du hast doch immer gesagt, dass Technische Mathematik genau dein Ding wäre‘, werfe ich verzweifelt ein. Er lächelt sein schönstes Lächeln und kratzt sich am Kinn. ‚Hab ich auch gedacht‘, meint er. ‚Aber irgendwie ist das ganz schön öd geworden.‘

Ich stehe auf und durchsuche die Schubladen, finde aber nur einen abgerissenen Hemdknopf, der ganz sicher nicht in die Lade mit dem Feuerzeug gehört. ‚Und was willst du jetzt machen?‘, höre ich mich fragen. Ich finde, ich wirke beherrscht. ‚Weiß auch nicht‘, meint er und trommelt mit seinen Fingern fidel auf die Tischplatte. ‚Einfach mal leben, und so.‘

‚Ist dir klar, dass ‚einfach mal leben, und so‘ ganz schön kostspielig sein kann?‘, wende ich ein. Ich hasse es, wenn ich mich so reden höre und bemerke, dass ich schon wieder auf meiner Unterlippe kaue. ‚Sei nicht so spießig, Leonie. Du machst dir immer so viele Gedanken‘, sagt er, stößt sich mit den Händen von der Tischkante ab und balanciert gekonnt auf den hinteren Stuhlbeinen. Seine Füße wippen fröhlich über dem Boden.

Ich gehe ins Schlafzimmer, stolpere in meiner Aufregung über eins der beiden Fahrräder, die dort stehen, öffne den Kleiderschrank und durchsuche die Innentaschen meines hellgrauen Herbstmantels. Ich werde fündig. ‚Rauchst du etwa wieder?‘, fragt Peter. ‚Du könntest ja Suchtberater werden‘, sage ich gereizt. ‚Vielleicht macht dir das mehr Spaß als Technische Mathematik.‘

‚Schau, Leonie‘, sagt er und ich kann es gar nicht leiden, wenn er das sagt, weil er dann immer will, dass ich eine seiner Launen unterstütze. Also schaue ich und rauche. ‚Man soll doch etwas machen im Leben, das man wirklich gern tut, oder? Ich kann doch nicht mein Leben mit etwas verbringen, das mir jetzt schon zum Hals raushängt.‘ Ich spüre die Wirkung des Tabaks und denke mir, dass wahrscheinlich die Hälfte der Menschheit genau das tut. Ganz sicher sitzt sie nicht satt und tatenlos am Küchentisch und zappelt mit den Beinen.

‚Und wie machen wir jetzt weiter?‘, frage ich und schaue dem Rauch zu, wie er sich tanzend im Raum verliert. ‚Wir werden sehen, Leonie‘, sagt er. Dann steht er auf, kommt auf mich zu und nimmt mich in die Arme.
‚Vertrau mir.‘

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