Wer sind wir, als wenn es uns
gemeinsam gibt, eine zusammengewürfelte
Kolonne marodierender Meinungsräuber,
die ohne äußeren Halt inneren
Verpflichtungen folgen, dem Kilopreis
für fair gehandelte Kaffeebohnen aus
Hochlandlage, den Megapixeln und
Terabytes unserer selbst gebrannten
Möglichkeitslagen. Den Schummelpackungen,
Software in bunten Schachteln, Getreideflocken
in vergrößerten Schneckenhäusern, dem
Abtastgeräusch innerstädtischer
Kontaktanbahnungen, den Gewöhnungsräumen
und Selbstverletzungsdramen, ihren
standardisierten Patenten, welche Einzelheiten
nehmen, strecken und in lizenzierte Teile reißen.
Das Vorhandensein von Ethik, Paranoia,
Kommissions- und Lenkungsausschussmetaphern,
die verschiedenen Wahrheits- und Deutungslager,
selbst bestimmtes Dudelsackgepfeife,
unter dem Elektronenmikroskop geförderte
Widerstands- und Ungehörigkeitsnester,
das Schaukeln von Affen und Koalabären
in einem regelmäßig befeuchteten Zoo.
Sind das schon wir, eine unverbindliche
Masse, auf Lebenszeit mit animalischem
Klebstoff aneinander gepresst, unsere
unnachgiebigen Träume vor der Tür.
Aus:
Martin Dragosits: Weiße Kreide, 2017, edition art science
Martin Dragosits, geboren 1965 in Wien, lebt dort. Zahlreiche Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien, bisher vorwiegend Lyrik.
Bücher: Der Teufel hat den Blues verkauft (Arovell Verlag, 2007), Der Himmel hat sich verspätet (Arovell Verlag, 2010), Gedichte 3.0 (Arovell Verlag, 2013), Weiße Kreide (Edition Art Science, 2017)
Veröffentlichungen in Sterz, Freibord, DUM, Podium, Der Standard, OE1/Nachtbilder u.a.
Martin Dragosits
Die Textrechte dieses Beitrags liegen bei Martin Dragosits, die Bildrechte bei Doris Lipp.