Sah sie also den Mann wieder, der ihr Gewalt angetan hatte. Dort stand er, hinter der Scheibe, starrte geradeaus, ausdruckslos. Sie erkannte ihn sofort. Nummer drei, sagte sie, räusperte sich, deutete auf den schmächtigen Kerl in den verwaschenen Jeans. Neben ihr einer, der nickte, etwas sprach, sie verstand es nicht. Nummer drei, wiederholte sie, lauter nun, bemerkte, dass sie zitterte, nicht stark, ein wenig bloß. Sie schämte sich dafür.
Sie hatte ihn gleich bemerkt, obwohl er nur dastand, auf dem Gehsteig, den Weg nicht blockierte. Er hatte, den Kopf leicht zur Seite geneigt, die linke Hand in die Hüfte gestemmt, geraucht, in ihre Richtung gesehen. Angst hatte sie keine gehabt, noch nicht, sich – aus Gewohnheit vielleicht? aus Vorsicht? – umgedreht und die Gasse entlanggeblickt. Niemand sonst, den sie sah. Im Nachhinein fragte sie sich, ob er bedrohlich gewirkt, ihr Instinkt sie im Stich gelassen hatte. Sie konnte es nicht sagen, nicht mit Gewissheit, und doch hatte sie die Straßenseite gewechselt, ihre Schritte beschleunigt, die Handtasche an sich gedrückt. Als sie auf gleicher Höhe waren, hatte sie nicht zur Seite gesehen.
Der Schlag traf sie unvorbereitet. Sie fiel, schlug auf dem Boden auf, die Knie zuerst, dann die Hände, die linke Schulter, der Kopf. Ob sie geschrien hatte? Sie wusste es nicht. Der Schmerz war überwältigend. Sie stöhnte, griff sich an den Hinterkopf, fühlte das Blut an den Händen. Der Mann, über ihr nun, zerrte an ihrer Tasche, hielt eine Eisenstange in der Hand. Er wird mich erschlagen, dachte sie, schrie ihn an, rief nach Hilfe. Die Tasche ließ sie nicht los. Der Mann zögerte, hob den Arm, einen Moment lang, dass sich ihre Blicke trafen. Dann, endlich, ein Fenster, das geöffnet wurde, nahe, eine Stimme, die laut schrie. Er sah auf, lief. War fort.
Hier also, dass sie den Mann wiedersah, der ihr Gewalt angetan hatte. Hinter der Scheibe stand er, starrte geradeaus, konnte sie nicht sehen. Was ist das für ein Mensch? fragte sie sich. Er hatte eine Angst in ihr Leben gebracht, die sie zuvor nicht gekannt hatte. Sie hasste ihn dafür. Nummer drei, sagte sie, räusperte sich, deutete auf den schmächtigen Kerl in den verwaschenen Jeans. Schlägt dich einer auf die rechte Wange, dann halt ihm auch die andere hin, fuhr es ihr durch den Kopf. Wie sollte das gehen? fragte sie sich. Er hätte mich doch: erschlagen. So also stand sie, sah sie, dachte sie. Und dann, mit einem Mal, begriff sie. Nummer drei, wiederholte sie, lauter nun, bemerkte, dass sie zitterte, nicht stark, ein wenig bloß. Sie schämte sich dafür, kurz nur, lächelte gleich. Stand reglos da, aufrecht. Sah, wie der Mann sich zur Seite wandte, die Schultern hängen ließ, zur Tür trottete. Geh! flüsterte sie. Sie wünschte ihm nichts Übles.