Er war gestern wieder verdammt spät nachhause gekommen. Sie hatte ihn kommen gehört, war gerade in der Küche gewesen, um sich ein Glas Wasser zu holen. Seine Schritte waren schwer gewesen, unsicher, aber nicht unsicher tapsend, sondern unsicher stampfend. Seine Finger waren erstaunlich leichtfüßig die Wand entlang getanzt, in Kontrast zu seinen Füßen. Kurz hatte sie überlegt, ihn zu begrüßen. Ließ es dann aber bleiben. Sie war die Stiegen hinauf gehuscht und der Katze begegnet, die auf dem Weg nach unten war. Dem leisen Fluchen von unten zufolge, war die Katze am Weg zu ihm gewesen. Sie legte sich ins Bett. Wie ihr zeitverzögerter Schatten kämpfte auch er sich die Treppe hoch. Deutlich langsamer als sie. Wie besessen von dem Wunsch nach Licht tastete er nach dem Lichtschalter. Sie hörte seine Hand über die raue Tapete streichen. Der Schalter ist links neben der Stiege, dachte sie.
Helligkeit drang durch die Ritzen des Türstocks, vor der Tür musste sie aufflammen, plötzlich, ihn mehr blenden als bei seinem Weg behilflich sein. Ein Quietschen, die Badezimmertür. Dann Stille. Ein Geräusch. Die Katze. Sie lag im Bett. Wach lag sie da. Sie drehte ihren Kopf, blickte an die Wand, wo der Spiegel hing. Es gab nicht genügend Licht, als dass sie noch etwas im Glas hätte erkennen können. Aber vielleicht spiegelte sich auch einfach die Dunkelheit, die überall war.
Seine Schuhe stehen ganz schief, da draußen am Gang. Er war wohl wieder feiern gewesen. Er fand immer etwas zu feiern. Später würde sie nachsehen gehen, ob er seine Jacke schon wieder verloren hat. Vielleicht hätte sie gestern doch aufbleiben sollen, eine Bestandsaufnahme machen. Sie stellt einen Teller mit den Resten des gestrigen Mittagessens in die Mikrowelle. Vermutlich hat er seine Jacke nicht verloren, denkt sie, sonst hätte er keinen Schlüssel gehabt. Der Teller dreht sich beständig im Kreis, wie ihre Gedanken. Ein Geräusch. Sie horcht. Es war von draußen gekommen. Im Haus rührt sich nichts. Auch der Mikrowellenteller hat aufgehört sich zu drehen. Als sie gerade das letzte Stück schmutziges Geschirr in die Abtropftasse stellt, hört sie oben die Schlafzimmertür schlagen und seine noch schweren Schritte ihn den Gang entlang Richtung Badezimmer führen. Zu schnell, als dass es nicht hastig gewesen wäre, trocknet sie ihre Hände ab. Ihre Schritte führen sie zur Garderobe. Sie packt ihren Mantel, ihre Handtasche. Kurz blickt sie auf seine Schuhe, hält ein, stellt sie ins Regal, wo sie hingehören. Von oben hört sie Wasserrauschen. Sie verlässt das Haus, als er den ersten Schritt auf die Stufen setzt.
Auf dem Kühlschrank hängt ein Zettel: „Komme heute spät“.
Sara Schmiedl, 1999 geboren, aufgewachsen zwischen Zuckerrübenfeldern und Donau. Hat zuerst begonnen zu lesen, dann Bücher zu lieben und schließlich eigene Texte zu schreiben. Bisher exklusiv nachzulesen in den Textheften diverser Literaturwettbewerbe. Ein Debütroman existiert bereits im Kopf, aber bisher auch nur dort.
Die Textrechte dieses Beitrags liegen bei Sara Schmiedl, die Bildrechte bei Doris Lipp.