Wenn du am Sonntagmorgen wach wirst und dich genüsslich im Bett räkelst, dann rechnest du mit manchen Dingen wahrscheinlich erst mal nicht. Dass sich der graue Kater von Parzelle sieben mit einem grantigen Marder duelliert hat und du alsbald beachtliche Mengen seines Fells im Garten finden wirst, gottlob aber nicht den Kater selbst. Dass Marko Arnautovic je ein Interview geben wird, ohne sich dabei am Kopf oder einem anderen Körperteil zu kratzen. Dass in Buchstabensuppen anspruchsvolle Texte lauern.
Oder dass du vor Ablauf der nächsten zwei Stunden mit deiner Schädeldecke am Plafond deines Kellers kleben wirst. Mit Schnellzement im Haar.
Damit rechnest du am allerwenigsten.
Seit der Kontrollschacht vom Kanal wieder frei von Exkrementen ist, riecht der Keller nicht mehr übel, das ist schon eine feine Sache. Und trockener ist er auch geworden, da wird es Zeit, das kleine Loch ganz hinten in der Ecke wieder zuzuspachteln. Eine Spinne hat dort mittlerweile ihr Netz gespannt und hängt jetzt tot im eigenen Gespinst. Ich schätze mal, sie ist verdurstet.
‚Schaut gut aus‘, meint Doris und dreht sich presto zu mir um. Viel Platz ist ja nicht im kleinen Keller, das Ding ist keinen Meter hoch. Da muss man schon aufpassen auf seine Bewegungen, da hast du schneller einen Satz blauer Flecken als du ‚Kreuzkruzifix‘ sagen kannst. Aber das sagst du dann eh nicht, wenn du grad dein Knie in den Kärcher gerammt und mit der Brustwirbelsäule an der Decke radiert hast. Ist einfach zu lang, das Wort.
Und den Moment, als sie sich umdreht, die Doris, fällt ein fetter Tropfen vom Plafond und kauert nun satt und träge am Boden. Mir wird ganz kalt, als ich das sehe, und mein Ohr fängt auch gleich wieder so komisch zu sausen an. Kann man denn nicht ein einziges Mal in den Keller schauen, ohne gleich auf Wasserspiele zu stoßen, ja sind wir denn in Hellbrunn? Ich noch immer der Sprache verlustig, montiert die Doris schon die Dämmplatte ab, weil Frau der Tat und so. Und da muss ich schon sagen: beim Heiraten kannst du dir echt helfen, wenn du handwerklich weit unterm Schnitt liegst, da muss man keine zwei X-Chromosomen haben, damit das funktioniert.
Dann kriecht sie aus dem Keller und rührt den Schnellzement an. Patente Frau.
Hat nicht jeder.
Stellt sich heraus: viel Wasser war nicht auf der Platte und ein bisschen Feuchtigkeit hat er ja gezogen, der Keller, als wir unwissentlich die Gülle ausgebracht haben. Also wische ich die Dämmplatte trocken, befreie sie von Betonresten und zerre sie zurück in den Keller. Dann stoße ich gegen einen Bambusstab, richte mich irritiert auf und donnere meinen Hinterkopf an die Decke. Ich rufe laut ‚Kreuzkruzifix‘.
Unterdessen kommt Doris mit dem Schnellzement und verteilt ihn kunstvoll am Plafond. Nur beginnt sie leider vorne. Und muss sich dann bald strecken.
Was keine so gute Idee war.
‚Ich sag’s ja nur ungern, weil du grad so in Schwung bist. Aber du hast Schnellzement im Haar.‘ Ich gebe zu, ich bin ein wenig beunruhigt. Wer will seine Frau schon an der Kellerdecke klebend zurücklassen? Ich finde, da kann man drauf hinweisen.
Ich knie im Keller und drücke die Dämmplatte ein wenig nach oben, damit der Zement in Ruhe aushärten kann. Ich weiß ja nicht, was der so unter ‚schnell‘ versteht. Schneller als Doris war er jedenfalls nicht, gegen die hat er nämlich keine Chance gehabt.
Wenn du am Sonntagmorgen wach wirst und dich genüsslich im Bett räkelst, denke ich mir, dann rechnest du mit manchen Dingen wahrscheinlich erst mal nicht. Zum Beispiel, dass du heute mit deiner Schädeldecke am Plafond deines Kellers kleben wirst. Mit Schnellzement im Haar. Da ist es doch allemal wahrscheinlicher, dass du in einer Buchstabensuppe Auszüge aus dem neunten Gesang der Odyssee findest. Also echt jetzt.
Dann kommt Doris um die Ecke, mit feuchtem Haar und frischem Schwung. ‚So, und jetzt zum Loch in der Ecke‘, sagt sie. Und rührt auch schon beherzt den Schnellzement an.
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