(Ohn)Macht

Aus dem Alltag

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Endlich, dass er ein wenig Schlaf fand in der Dunkelheit der kleinen Stunden, bevor er in die Schlucht eines unruhigen Traums fiel. Makellos weiß war die Wand, vor der er sich sah, die ihm, turmhoch, den Weg versperrte, die Flucht verbot. In seinem Rücken, nah, ein metallischer Laut, schrill, bedrohlich. Er hatte nichts Menschliches an sich.

Er müsse verstehen, hatten sie ihm gesagt, zwölf Stunden zuvor. Sie waren zu zweit, hatten höflich gelächelt, verständig genickt. Er habe gute Arbeit geleistet, hieß es. Man sei mit ihm zufrieden gewesen all die Jahre, hieß es. Jedoch: der Preisdruck, die Konjunktur, er verstehe. Er verstand nicht. Kopf hoch, sagten sie, als sie aufstanden, ihm die Hand reichten. Er sah ihr Lächeln, schwieg, ging durch die Tür, ging über den Flur, ging und ging, bis er sich im Treppenhaus wiederfand, sitzend, das Gesicht in den schweißnassen Händen vergraben.

Die Wand also, vor der er sich sah. Zaghaft erst, dass er sie berührte, die Kälte fühlte, die von ihr ausging. Ihr makelloses Weiß verstörte ihn. Wieso weiß? fragte er sich. Und: wem nützte diese Mauer? Er staunte, ahnte wohl, dass er träumte, und doch schien ihm die Mauer real zu sein, sah er sie, spürte er sie. Irgendwann, dass er das Gefühl hatte, die Gewissheit gar, beobachtet zu werden. In seinem Rücken, nah, ein metallischer Laut, schrill, bedrohlich. Er erstarrte, wollte sich umdrehen, wagte es nicht. Vor ihm: die weiße Wand, auf die er stierte. Er hob die Faust, drosch dagegen, schlug sich die Hand blutig, schrie. Schrie die Wand an, die kalt war und weiß. Mit einem Mal, dass er verstummte, die Augen schloss. Er atmete, atmete tief, langsam, rhythmisch. Mühsam erst, dass er die Angst niederzwang, die ihm im Nacken hockte, bis sie ganz aus ihm wich, allmählich. Dann, dass er losging, ohne Furcht.

Als er um sich sah, stand da keine Mauer, war da ein weites Tal, ein Bach, in dem klares Wasser floss. Sieh, dachte er, wie eng der Blick ist, kommt die Angst über uns. Er lächelte, bückte sich, tauchte seine blutende Hand ins kalte Wasser.

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