Wenn es dunkel wird, sickern die Stimmen aus den Wänden. Schau nicht so. Ich weiß ja, dass du mir nicht glaubst, dass du mich für verrückt hältst. Dass du dir denkst: jetzt wird sie senil. Aber ich sage dir: die Stimmen sind da, quellen aus der Dunkelheit wie klebriger Schleim.
Dort drüben liege ich, auf der Bettseite, die dem Fenster näher ist, während er neben mir schläft oder so tut, als würde er schlafen. Er sagt, dass er nichts hört, dass ich mir das bloß einbilde. Er sagt es ganz ruhig, weil er mich täuschen will. Weil er mich glauben machen will, dass ich den Verstand verliere. Ein alter Narr ist er, er hasst mich ja seit Jahren schon. Natürlich lügt er. Ich weiß, dass er lügt. Wie könnte man die Stimmen nicht hören?
Was die Stimmen sagen? Ich weiß es nicht, Kind. Anfangs ist es bloß ein Flüstern, kaum zu verstehen. Manchmal steige ich aus dem Bett, öffne das Fenster, kann aber niemanden sehen außer einer Katze vielleicht, die über den Innenhof schleicht und zwischen den Mülltonnen verschwindet. Nein, von draußen kommen die Stimmen nicht.
Sie sickern aus den Wänden.
Später, wenn die Nacht nichts kennt außer Schatten und Geister, werden sie lauter. Sie lassen mich nicht schlafen, also stehe ich auf, gehe in die Küche, mache mir Tee, setze mich an den Tisch. Höre den Stimmen zu, wie sie miteinander reden. Begreife, dass es wichtig ist, was sie sagen. Am Morgen aber ist alles verschwunden, vergessen.
Wo dein Vater so lange bleibt, willst du wissen? Bald wird er zurückkommen von seinem Spaziergang, dich beiseite nehmen und dir einzureden versuchen, dass ich verrückt sei. Du wirst ihm nicht glauben, Kind.
Das wirst du doch nicht?
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