Tony und das Zeugenschutzprogramm

Lakonien - Griechenland

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Tony Soprano ist nicht tot. Der bullige, von Panikattacken geplagte Mafiaboss aus New Jersey lebt jetzt in der Mani.
Aber bitte nicht weitersagen. Ist top secret.

Vielleicht fang ich aber besser von vorne an, man soll ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Ein bisschen eine Struktur sollt eine Zeugenaussage schon haben. Alsdann: gewohnt haben wir die ganze Zeit in Mavrovouni, und zwar im Stavros Tou Notou, was auf Deutsch ‚Kreuz des Südens‘ heißt. Das ist gleich am Ende von der Straße, dort, wo das Müllauto jeden Tag umdreht.
Astronomisch gesehen total lehrreich eigentlich, die Gegend. Kreuz des Südens und Wendekreis des Müllwagens.

Vom Strand führen ein paar Straßen rauf in den Ort, weil ‚vouno‘ heißt ja Berg, und das liegt dann halt meistens ein bisserl oberhalb. Die Wege recht steil, betoniert und flankiert von ein paar irrsinnig grantigen Hunden knapp vorm Herzinfarkt. Und hinter der letzten Kuppe, dort, wo die ganz kleinen Katzen immer herumlungern dann die Dorfplatia. Und die Taverne unserer Wahl natürlich.

Wir also fleißig beim Einschneiden und ein guter Teil vom halben Liter Weißwein auch schon wieder weg, kommt eine Frau daher, also ‚erscheint‘ müsst man wohl sagen. Und jeder, also ich mein‘ wirklich jeder, hat sie jetzt angeschaut, sogar die fünf Katzen. Weil die Frau war schon eine beeindruckende Erscheinung. So richtig groß und massiv gebaut und angehabt hat sie einen Jumpsuit wie weiland der Elvis, mit breiten Streifen in Dunkelblau und Weiß. Gott sei Dank aber längs und nicht quer. Dafür hat sie an den Schultern so angedeutete Flügel gehabt wie ein ästhetisch etwas verunglückter Halbgott.
Na wir haben alle Augen gemacht.

Aber die Belegschaft hat sich schnell erfangen und der Rest der Gäste hat bald woanders hingeschaut, auf einen dürren Ast von der Platane oder auf die eigenen Hühneraugen vielleicht, was weiß ich.
Weil siehst du, die Einheimischen haben sie gekannt, die massive Dame im blau-weißen Jumpsuit.

Und dann kam Tony. Der hat in der Zwischenzeit wahrscheinlich nur das Auto geparkt. Gut möglich aber auch, dass er derweil zwei oder drei Leute mit dem Schalldämpfer liquidiert hat. Bemerkt hätt‘ es jedenfalls keiner, die ganze Aufmerksamkeit ja auf seiner Begleitung. Also ein besseres Ablenkungsmanöver kannst du nicht inszenieren.
Und glaubt mir, der Mann hat dem Anthony Soprano aber sowas von ähnlich gesehen, mit Stirnglatze und ordentlichem Übergewicht und allem. Auch das Gehabe, die Gestik, diese beinahe greifbare Aura der Unantastbarkeit. Und alle kommen gleich noch geschäftiger angerannt und hallo auch und freut uns ja so, dass wieder und alles. Da muss man schon sagen, da könnt‘ selbst unser Kanzler noch was lernen.

Optisch hat er übrigens gar nicht schlecht gepasst zu seiner Begleitung. Shorts und ein Shirt hat er angehabt, das war himmelblau-weiß und auch mit Streifen. Diesmal leider quer. Aber schmale wenigstens. Und Sandalen halt. Ohne Socken natürlich, er ist ja kein Deutscher.

Und so ist der Abend dann ausgeklungen, mit der Gewissheit, dass der einstige Mafiaboss aus Jersey nun Respektsperson in Mavrovouni ist. Oder vielleicht sogar in Gythio, wer weiß das schon genau.
Und bitte nichts weitersagen. Wegen dem Zeugenschutzprogramm und so.

Unser Urlaub in der Mani ist nun auch Geschichte. Einem Landstrich, der duftet wie ein Kräuterbad, wenn es einmal regnet. Auch das kommt vor.

Und als wir heute die Haustür von der Gusenleithnergasse aufgesperrt haben, hängen dort zwei Luftballons.
Wird wohl wieder ein Kindergeburtstag ins Haus stehen.

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