Trevi

Rom

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In mäßig hohem Bogen fliegt sie durch die Luft. Geworfen mit der rechten Hand über die linke Schulter, wie sich’s angeblich gehört. Landet mit einem enttäuschend banalen ‚Plopp‘ im Brunnen.
Und wird doch sicherstellen, dass wir zurückkehren werden. Zurück in die vielleicht schönste Stadt der Welt.

Rechts um die Ecke, ein paar Schritte noch, vorbei am Souvenirladen, der Tabaccheria und der winzigen Bar. Dann weitet sich die kleine Gasse zu einem gar nicht so weitläufigen Platz. Einem Platz, der verführt. Der Charme hat wie die schönsten zehn italienischen Ministerpräsidenten zusammen nicht. Und einen viel zu großen Brunnen.

Trevi ist eine Bühne. Ein Laufsteg. Eine famose Kulisse für das eigene Selbst. Kaum ein Foto, das ohne das eigene Gesicht auskommt, ohne die große Pose. Eine reifere Frau in rotem Rock, Sandalen und einem T-Shirt, das in erschreckender Weise an ein Raubtier gemahnt, stolziert mit grandiosem Schritt und erhobenem Haupt die unterste Plattform des Brunnens entlang. Eine Gruppe chinesischer Touristen tritt, einer nach dem anderen und diszipliniert wie eine römische Legion, zum Fotoshooting an. Genormt sind Winkel, Bildausschnitt, Gesichtsausdruck und flugs verschwinden sie in Richtung Pantheon. Ein Mann in Winterjacke und Schal steht etwas abseits und wirkt ein wenig, als wäre er eine dieser mysteriösen Figuren in einem Gemälde von Hieronymus Bosch, die dem furiosen Treiben, das sie umgibt, seltsam unbeteiligt beiwohnen.
Ein kleines Mädchen wirft eine Münze in den Brunnen.

Die Münze ist aus dem Iran. Die daneben aus Norwegen. Ich drehe mich um, spüre die zwanzig Cent in meiner Hand. Sie müssen reichen, ich zähle auf die numismatische Indifferenz der kosmischen Kräfte. Meine Finger drehen die Münze einmal, zweimal. Dann werfe ich sie.

Als Anita Ekberg für das Bad ihres Lebens in den Trevi-Brunnen stieg, war es Ende Jänner. Immerhin war sie Schwedin, da nahm sie das nicht weiter tragisch. Marcello Mastroianni war Italiener. Der sah das nicht so entspannt. In den Brunnen, bei diesen Temperaturen? Nie im Leben. Fellini wurde wütend.
Anita Ekberg begann zu frieren. Auch Schweden baden nicht stundenlang in winterkaltem Wasser. Mastroianni schmollte. Es war an der Zeit für einen Kompromiss.
Die wahrscheinlich berühmteste Brunnenszene der Filmgeschichte absolvierte der große Mastroianni, unvergessener Stern am cineastischen Himmel, in Gummistiefeln, die er unter seinem Anzug trug.

Drei Kinder laufen am rechten Rand der unteren Plattform entlang. Der bietet erstaunliche Bewegungsfreiheit, derer man im Zentrum des Brunnens nicht habhaft wird. Vier Männer im Kilt bahnen sich ihren Weg die Stufen hinunter, sie werden wohl auch eine Münze werfen wollen. Eine Gruppe, gebrandmarkt mit gelben Kappen, formiert sich am oberen Ende und ich frage mich, ob sich die Gelbmützen nicht vielleicht doch in der falschen Stadt befinden. Ein Selbstdarsteller in der vorletzten Ebene gefällt sich in scheinbar männlicher Pose und beschenkt zahllose Touristen mit Fotos seines Konterfeis. Ein Mann in mittleren Jahren versucht sich an einem Selfie und scheitert an einem zu kurz geratenen Arm. Seine Frau weiß ihm beizustehen und reicht ihm einen Selfie-Stick.
Eine junge Frau wirft eine Münze in den Brunnen.

Meine zwanzig Cent fliegen in mäßig hohem Bogen durch die Luft. Und landen mit einem enttäuschend banalen ‚Plopp‘ im Wasser. Ich drehe mich um und blicke ihnen hinterher.
Wir werden sehen, ob das reichen wird.

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